Das Herkunftsprinzip

Im Vergleich zur alten Regelung weisen die neuen Regelungen verschiedene Vereinfachungen auf. Sprechsilben bilden nun die Grundlage für die Trennsilben. Dadurch wird vor allem der Umgang mit Fremdwörtern erleichtert. Wer früher keine Kenntnisse der alten Sprachen (Latein, Griechisch) besaß und keine Kenntnisse des Französischen, hatte es in vielen Fällen schwer, die Sinneinheiten darauf basierender und von solchen abgeleiteter Fremdwörter zu erkennen, mithin korrekt zu trennen. Aber die Trennung nach Sprechsilben hat auch Konsequenzen für die Trennung von in die deutsche Sprache integrierten Fremdwörtern.
Kel-ler, The-a-ter, Na-ti-o-nen, No-ta-ri-at, Ei-er, Städ-te
Was mit Hilfe von Eselsbrücken früher in der Schule gelehrt wurde, gilt nicht mehr: „Trenne nie ‚st’, denn es tut ihm weh!“. Die Neuregelung entspricht der allgemeinen Trennungsregel für Konsonanten: Wenn mehrere Konsonanten in einer Worteinheit hintereinander stehen, überträgt man den letzten Konsonanten auf die folgende Zeile.
Vor den neuen Regelungen galt für die Kombinationen wie „ch“, „sch“, „ph“, „rh“, „sh“ und „th“, dass man diese am Zeilenende nicht getrennt hat, weil sie wie ein einzelner Laut ausgesprochen werden. Das „ck“ war früher eine Ausnahme des Deutschen (als festgelegte Schreibweise für „kk“). Deshalb hatte man die „ck“-Variante bei Trennung wieder auf die Grundform zurückgeführt: Ein „k“ blieb auf der einen Zeile, das andere „k“ rückte bei Trennung auf die nächste; vgl. zur früheren Trennung *Bäk-ker. Mit der Neuregelung wird folglich die Trennung vereinfacht: Ha-cke, le-cker, Lü-cke.
Vor den Neuregelungen durften solche Verbindungen nicht getrennt werden. Nunmehr wird es Schreiber(inne)n freigestellt, die eine oder die andere Trennungsvariante zu wählen: Fe-bruar oder Feb-ruar; Hyd-rau-lik oder Hy-drau-lik; Mag-net oder Ma-gnet; Sig-nal oder Si-gnal. Die Trennung nach Sprechsilben stellt im Vergleich zur früheren Regelung denen eine Erleichterung dar, die in zahlreichen Fällen diesbezügliche Korrektheitszweifel hatten; wer stets ohne Zweifel die vertraute Trennung praktizieren konnte, kann dies auch weiterhin.
Auch hier stehen nunmehr bei Fremdwörtern zwei Trennungsmöglichkeiten nebeneinander, da heute (im Unterschied zu früher über die alten Sprachen vermittelten Kenntnissen) nicht mehr davon auszugehen ist, dass diese nach ihren Bestandteilen analysiert werden können: Chi-rurg und Chir-urg; Pä-da-go-gik und Päd-a-go-gik; In-ter-es-se und In-te-res-se; Nos-tal-gie und Nost-al-gie; Al-ler-gie und All-er-gie.
Aber diese Regelung betrifft nicht nur als Fremdwörter eingeschätzte Einheiten, sondern ebenso deutschsprachige Ausdrücke, welche ursprüngliche (aber als solche nicht mehr erkannte) Zusammensetzungen darstellen: da-rauf oder dar-auf; ein-an-der oder ei-nan-der; he-ran oder her-an; hi-nauf oder hin-auf; vor-über oder vo-rüber; wa-rum oder war-um; Mai-nau oder Main-au; Klei-nod oder Klein-od.
Anmerkung: Falsch getrennt ist nach wie vor zum Beispiel: *bi-ologisch statt bio-lo-gisch; *bis-exu-ell statt bi-se-xu-ell.
Abend, Ufer, Ofen, Idyll, üben
Die ursprünglichen Neuregelungen sahen in solchen Fällen eine Abtrennung vor. Etliche Wörterbücher, die in dem Zeitraum kurz nach den 1996 erschienenen „Amtlichen Regelungen“ entstanden sind, verzeichnen solche Trennungen. Entsprechende Angaben in solchen Wörterbüchern sind nunmehr als Fehler einzuschätzen. Im Rahmen der Nachbesserungen der Rechtschreibregelungen (nach 1996) wurde die Möglichkeit der Abtrennung von Einzelbuchstaben zurückgenommen.
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